Tagung 29.2.2020 – Der Angriff auf die Ostsee durch den Tunnel

Die Abfahrt der Teilnehmer

Die Abfahrt der Teilnehmer 

Angriff auf die Ostsee

Irreparable Schäden zu Wasser, zu Land und zu Luft

Roge, 01.03.2020 – Der Zustand der Ostsee ist bereits heute in einem bedenklichen Zustand. Zu großer
Nährstoffeintrag durch Düngung in der Landwirtschaft. Zu intensive Nutzung durch Schifffahrt und Windkraftanlagen. Überfischung und Nordstream II.

Und dazu jetzt noch der Tunnel im Fehmarnbelt – zusätzlich behaftet mit eklatanten Planungsmängeln seitens des Vorhabensträgers Femern AS.

Auf der Tagung der AG Belt Hamburg am 29.02.2020 haben Experten die massiven Konsequenzen der geplanten Fehmarn Beltquerung sachlich dargelegt. Fakten, die Anlass zu großer Sorge sind. Sorgen, die die knapp 120 Gäste der Veranstaltung teilen!

Dagmar Struß, stellvertretende Landesvorsitzende NaBu SH und Leiterin Schweinswal- und Meeresschutz, hat acht bestehende Belastungen beschrieben. Von Sauerstoffarmut und sogenannten Todeszonen über Industrie- und Verkehrslärm bis zu Verschmutzung durch Plastik und Schadstoffeinträge wie zum Beispiel verrottende Weltkriegsmunition. Die gesetzlich verankerte Wasserrahmenrichtlinie enthält ein deutliches Verschlechterungsverbot. Bis 2020 solle die Ostsee in einen guten Erhaltungszustand versetzt sein.

In diesen Tenor stimmte der Berufsfischer Gunnar Gerth-Hansen aus Fehmarn ein. Es gebe zwar erst seit etwa 15 Jahren Hundekotbeutel, doch bereits heute würden sich diese gefüllten Säckchen schon in 20 bis 25 Metern Wassertiefe finden. Auf die Frage von David Gutzeit, Aktiver der Fridays for Future Fehmarn, ob Gerth-Hansen auch für die Ostsee sogenannte Müllstrudel bestätigen könne, sagte der Fischer: „Noch nicht – aber die Gefahr ist sehr real.“ In direktem Bezug auf den geplanten Bau des Fehmarnbelttunnels wies er auf die Sedimentation von Schlick hin. Bei den aktuellen Strömungsverhältnissen würde ein Wegradius von 25 km zu erwarten sein. Dadurch würde eine Fläche von weit über 700 Hektar verschmutzt werden. Gleichzeitig würde durch den Bau des Tunnels der wichtigste Wasserzustrom von Salzwasser aus der Nordsee massiv verringert. Gunnar Gerth-Hansen: „Die Vorhabenträger betonen immer, die Wassersäule würde nur um 1,20 Meter
reduziert. Die Tiefe im Belt beträgt allerdings nur maximal 18 Meter. Zudem wird der Aushub für drei Kilometer Landgewinnung auf Lolland verwendet.“ Im Planstellungsbeschluss sei von einer leichten Bodendelle die Rede. Das sei maximale Schönfärberei – und werde dem tatsächlichen Ausmaß nicht annähernd gerecht.

Auch Fährkapitän Johannes Wassmuth sieht große Gefahren. Seine Analyse bezieht sich auf das Gegen­einander der Verkehre während der Bauzeit. „In den vergangenen 44 Jahren gab es nur eine einzige Havarie im Fehmarn Belt mit Todesfolge“, so der Kapitän. Und das, obwohl der von West nach Ost verlaufene Kiel-Ostsee-Weg eine der meistbefahrenen Schifffahrtsrouten der Welt ist. Zwischen dem horizontal verlaufendem Frachtverkehr und dem vertikal von Süd nach Nord passierendem Fährverkehr habe sich seit Bestehen der Vogelfluglinie eine Kultur des defensiven Miteinanders entwickelt. Die Vermutung von Wassmuth für die Bauphase: „Das wird sich dann zwangsläufig ändern!“ Die Fahrtrichtungen und Bewegungsmuster des Baustellenverkehrs über und unter Wasser seien für den regulären Schiffsverkehr nicht kalkulierbar. Stellt man sich zu den bestehenden Belastungen, der Zerstörung des Meeresbodens durch die Baggerarbeiten für die FFBQ jetzt auch noch eine Havarie mit einem Öltanker im Belt vor – kann man die Ostsee auch gleich ganz zuschütten.

Kerstin Fischer von der Bürgerinitiative Ratekau wehrt sich, umriss in klaren Fakten den Zusammenhang zwischen dem weltweiten Klimawandel und den Zuständen der Ozeane: „Das Meer speichert CO2. Es funktioniert wie die Wälder an Land. Je mehr CO2 allerdings gespeichert wird, desto mehr kalkbinde Lebewesen sterben ab. Und aus der umgekehrten Perspektive: je wärmer die Ozeane werden, desto weniger CO2 können sie speichern.“ Auf Deutsch: Ein Teufelskreis! Und mit Blick auf die Ostsee: „Beträgt die Erwärmung der Ozeane weltweit derzeit 0,5 Grad, beträgt sie in der Ostsee 1,5 Grad. Die Todeszonen haben sich in den Weltmeeren in den letzten Jahrzehnten vervierfacht. In der Ostsee verzehnfacht. Durch den Klimawandel wird ein jähr­licher Anstieg der Meeresspiegel um 3,2 mm erwartet. Der Spiegel der Ostsee wird zeitgleich um 5,4 mm steigen.“ Ihr Fazit: Hier geht die negative Entwicklung doppelt so schnell voran.

Auch der letzte Vortrag des Tages drehte sich um negative Entwicklungen. Regional- und Projektmanager für FFBQ Jürgen Zuch beschrieb seine Aufgabe für die Insel: „Die Interessen und die Betroffenheit Fehmarns und Großenbrodes in die Verfahren einzubringen und die Folgen abzumildern und ortsverträglich zu machen.“
Kein leichter Job. Denn auch er sieht, dass während der Bauphase massive Belastungen auf die Insel, die ansässige Wirtschaft, den Tourismus und vor allem die Bevölkerung zukommen. Eigentlich seien es vier oder sogar fünf Verfahren, die gleichzeitig passierten: Grundsanierung der Sund Brücke, Bau der Beltquerung, Bau einer zusätzlichen Sundquerung, vierspuriger Ausbau der B 207 und der Ausbau der Schienenanbindung für Güterverkehre. „Ich befürchte ein Verkehrschaos für lange Zeit, von dem nicht nur Fehmarn und Großenbrode betroffen sein werden“. Parallel wirft er den Vorhabenträgern rund um Femern AS eklatante Mängel in der Planung vor: „Die Prognosen des Weltklimarats sind seit Oktober 2018 bekannt: Anstieg des Meeresspiegels bis Ende des Jahrhunderts um ca. einen Meter.“ Das Land Schleswig-Holstein gehe sogar von 1,10 m aus. Das Konsortium Deutsche Meeresforschung habe das bestätigt. Eine Nichtbeachtung der Prognosen werde als eklatanter Planungsmangel betrachtet. Und weiter: Die Bundesbehörden BSH, DWD, BAW, BfG hätten in einer Veröffentlichung von Juni 2019 erklärt, der zukünftige Meeresspiegelanstieg solle insbesondere bei Infrastrukturprojekten, die Jahrzehnte im Voraus konzipiert werden, beachtet werden. Das habe Femern AS nicht getan. Sein Fazit: Da stimmt doch was nicht an den Planungen der größten Infrastrukturmaßnahme Nordeuropas!“

Dieser Meinung konnten sich alle unsere Gäste anschließen.
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29.2.2020 – Fährschiff auf dem Belt – Treffen 12:00
Landgang zur Fähre

Anmeldung per mail erforderlich
info@stop-fehmarnbelttunnel.de

Ein Tag im Konferenzbereich auf einer Scandlines-Fähre führt uns in die streng geschützten Bereiche der Riffe und Unterwasserdünen mit ihrer reichhaltigen Flora und Fauna des empfindlichen Ostseebiotops. Betriebslärm, Freisetzung eingelagerter Kampfstoffe und deren hochgiftige Bestandteile, Eintrübung und Sedimentverdiftung während der jahrelangen Baggerarbeiten lassen erwarten, dass der überwiegende Teil des Lebens im Fehmarnbelt absterben wird. Zudem ist der Fehmarnbelt die Kinderstube des Schweinswals. Der einzigen Walart, die in der Ostsee zu Hause ist – und die weltweit durch das internationale Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt wird, da der Schweinswal auf der roten Liste steht.

Berichtet wird weiterhin über Veränderungen von Strömungsverhältnissen und eine Bedrohung für den existentiellen Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee, für den der Belt das wichtigste Meergebiet ist. Begleitend kommt ein  erhöhtes  Risiko von Kollisionen und Havarien im Nadelöhr Fehmarnbelt hinzu.

Es gibt jedoch alternative, ökologische und vor allem flexible Verkehrsmodelle.
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Themen in „Der Angriff auf die Ostsee“ – 29.2.2020 – Fährfahrten Puttgarden-Rödby – Konferenzsaal

12.45-12.50    Begrüßung

12.50-13:45    Die Ostsee in höchster Gefahr.
Dagmar Struß, stellvertretende Landesvorsitzende des NaBu Schleswig-Holstein sowie Leiterin der NaBu Landesstelle Schweinswalschutz.

Einordnung bestehender Belastungen: Beeinträchtigung und Zerstörung der Lebensräume, Stellnetze, Überdüngung, Lärm, Überfischung, Schadstoffe, Munition.

Einmalig – die Riffs im Belt: Artenreichtum, Schutz des Flora Fauna Habitats (FFH), gefährdete Arten. Tödliche Belastung durch Bau und Betrieb eines Absenktunnels: Angeln verboten – baggern erlaubt?

13.45-14:40    Schweinswal & Co. Zerstörung der Lebensräume für gefährdete Meeressäuger
Dagmar Struß über den Zustand des Schweinswals.

Existenzbedrohung der Tiere durch Unterwasserlärm, wie z.B. Sprengungen, Baggerarbeiten, Baustellenverkehre.
Der Fehmarn Belt ist die Kinderstube des Schweinswals. Es ist die einzige Walart, die in der Ostsee zu Hause ist – und weltweit vom Aussterben bedroht. Deshalb ist er in allen Meeren durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. Eigentlich!

14.40-14.50    kurze Pause

14.50-15.20    Die Ostsee aus Sicht der Fischerei
Gunnar Gehrt Hansen, Fisher auf Fehmarn.

Die EU Wasserrahmenrichtlinie – soll seit 2015 dafür sorgen, alle Flüsse, Seen, das Grundwasser und die Küstengewässer in einen qualitativ guten Zustand zu versetzen. Wie passt eine Unterwasserbaumaßnahme in diese Richtlinie?

Die Folgen der Sedimentierung durch den Bau und die Konsequenzen aus dem verringerten Salzwasserzufluss durch den Tunnel für das Ökosystem Ostsee und die Fischbestände als Wirtschaftszweig.

15.20-15.50    Die Meer-Enge Fehmarn Belt aus Sicht der Berufsschiffart
Fährkapitän Johannes Wasmuth

Unkalkulierbare Havarie-Risiken während der Bauzeit: Der Fährverkehr läuft im Halbstundentakt vertikal über die Meerenge. Der Frachtschiffsverkehr läuft horizontal über den Kiel-Ostsee-Weg. Der Baustellen-Verkehr für den Tunnel läuft auf ca. 40 km Breite querbeet. 24 Stunden, 365 Tage im Jahr.

15.50-16.00    Exkurs: Flexibles Verkehrssystem Fähre VS Betonpiste und CO2-Explosion Tunnel
Kurze Faktenpräsentation durch Bodo Gehrke und Stepan Pries

16.10-16.30    Steigender Meeresspiegel und Kommunale Lasten
Regionalmanager Fehmarn Jürgen Zuch

Mängel in der bestehenden Planung der Vorhabensträger in Bezug auf tatsächlich eintretende Veränderungen.

Unverhältnismäßige Belastung der Insel Fehmarn durch die Baustelle verbunden mit Wertverlust und Reduktion der kommunalen Eigenständigkeit