BAUSTOPP IM BELT

Bodo Gehrke, [17.01.2022 07:52]
Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung e.V.

Pressemitteilung

Riffe im Fehmarnbelt:
Vorläufiger Baustopp der Tunnelbaumaßnahmen auf deutscher Seite

Fehmarn, 15. Januar 2022 – Auf einen Eilantrag des Aktionsbündnisses gegen eine
feste Fehmarnbeltquerung e.V. vom 13. Januar 2022 hat das
Bundesverwaltungsgericht am 14. Januar 2022 eine „Zwischenverfügung“ erlassen,
mit der das Land aufgefordert wird, vorläufig einen Baustopp bei den Arbeiten in den
Küstengewässern vor Puttgarden anzuordnen.

Wörtlich führt das Gericht unter Aktenzeichen BVerwG 9 VR 1.22 (9 A 17.21) aus:

„Dem Antragsgegner wurde aufgegeben vorläufig sicherzustellen, dass mit Eingriffen
in Riffflächen, bezüglich derer gemäß den Urteilen des Senats vom 3. November
2020 (9 A 9.19, RN 178f, und 9 A 12.19, Rn 651f) ein ergänzendes Verfahren
durchzuführen war, noch nicht begonnen wird. Sofern dem Hindernisgründe
entgegenstehen, wurde unverzügliche Nachricht gebeten.“

Die Verfügung des Gerichts wurde dem Aktionsbündnis und dem anwaltlichen Vertreter des
Landes am 14. Januar 2022 zugestellt.

Das Land hatte am 1. September 2021 einen „Planänderungsbeschluss“ erlassen, mit dem
der Planfeststellungsbeschluss für den deutschen Tunnelteil der Festen
Fehmarnbeltquerung vom 31. Januar 2019 geändert wurde. Hierbei ging es um die
Berücksichtigung der „neu entdeckten“ Riffe im Bereich der geplanten Tunneltrasse. Das
Land ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Inzwischen wurden Bauarbeiten eingeleitet,
insbesondere im Bereich der „neu“ entdeckten Riffe auf der Tunneltrasse vor Puttgarden.
Gegen diesen Planänderungsbeschluss hat das Aktionsbündnis am 4. Oktober 2021 Klage
eingereicht und diese am 13. Dezember 2021 ausführlich begründet. Am 13. Januar 2022
stellte das Aktionsbündnis, wiederum mit ausführlicher Begründung, einen Antrag auf
„Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage“ und einen weiteren Antrag auf
Anordnung eines vorläufigen Baustopps („Zwischenverfügung“) bis zur Entscheidung über
den Eilantrag.

Der Erlass der Zwischenverfügung bedeutet, dass das Bundesverwaltungsgericht die
Einwände des Aktionsbündnisses gegen den Planänderungsbeschluss für ernst
nimmt und ebenso Zweifel an der Begründung für die Eilbedürftigkeit der jetzt
laufenden Baumaßnahmen hat.
Zwar ergeht die Zwischenverfügung des Gerichts ohne Begründung. Zu den durch seinen
Rechtsanwalt Dr Wilhelm vom Aktionsbündnis vorgetragenen Gründen lässt sich jedoch
folgendes sagen:

Die Klage betrifft den Schutz von Riffbiotopen, die in der heute schon hoch belasteten
Ostsee Lebensräume von besonderer Bedeutung sind. Insbesondere die Riffe im
Fehmarnbelt genießen eine herausragende Sonderstellung wegen ihrer außergewöhnlichen
Artenvielfalt, die auch Arten umfasst, die schon für ausgestorben gehalten wurden.
Anders als das Land und Femern A/S geht das Aktionsbündnis davon aus, dass Riffe bereits
den vollen Biotopschutz genießen, wenn die entsprechenden Strukturen am Meeresboden
vorliegen. Auf den Nachweis, dass dort Lebensgemeinschaften zu finden sind, kommt es
dabei nicht an („Riff ist, was Riff sein kann“). Sollte das Bundesverwaltungsgericht dieser
Auffassung folgen, wäre dies eine bemerkenswerte Abweichung von den Gründen in den
Urteilen vom 3. November 2021. Folglich wäre eine Neubewertung aller Riffe im
Projektbereich notwendig. Mit der „Entdeckung“ weiterer Riffe auch im Tunnelbereich,
insbesondere im Tiefwasserbereich der AWZ wäre dann zu rechnen,

Derartige Riffstrukturen sind im Tunnelbereich aufgrund von Untersuchungen der Kläger im
Sommer 2020 gefunden worden, wurden aber vom Gericht nicht berücksichtigt.
Umgekehrt hat sich Femern A/S eine erforderliche Biotopkartierung im Bereich der
Tunneltrasse erspart. Hinsichtlich der vorhandenen Biotope der „neu entdeckten“ Riffe hat

Bodo Gehrke, [17.01.2022 07:52]
sich der Vorhabenträger lediglich mit verallgemeinernden „Annahmen“ beholfen. Nach
Meinung des Aktionsbündnisses entwertet dieser Mangel das naturschutzrechtliche
Ausgleichsprogramm des Planänderungsbeschlusses. Der mit dem
Planänderungsbeschluss festgesetzte Ausgleich ist fehlerhaft und unzureichend festgesetzt.
Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass Riffe im eigentlichen Fehmarnbelt wegen der
dort herrschenden Strömungsverhältnisse und relativ hohen Wassergüter besonders wertvoll
sind.

Ob in der Ostsee genug Ausgleichsflächen hinreichender Qualität gefunden werden
können, ist nach Meinung des Aktionsbündnisses derzeit unklar. Solange diese Frage
unbeantwortet bleibt, darf nicht weiter gebaut werden. Das Bundesverwaltungsgericht
folgt dem Aktionsbündnis mit seiner Verfügung jedenfalls insoweit, dass vorläufig
nicht weiter gebaut werden darf.

Die Klage des Aktionsbündnisses gegen den Planänderungsbeschluss geht im Übrigen
davon aus, dass eine systematische Suche nach Riffen, vor allem im Nahbereich der
Tunneltrasse offenbar nicht erfolgte. Dies werde durch die drei Riffe im Trassenbereich
belegt, die erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses von 2019 bekannt wurden.
Auch das Land ist an dieser Situation mitschuldig, da das seit Jahrzehnten erforderliche
Monitoring von FFH-Lebensräumen (zu denen Riffe gehören), unzureichend erfolgte. Wäre
dies anders gewesen, hätten die „neu entdeckten“ Riffe im Trassenbereich, die schon
Gegenstand der Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss waren, nicht übersehen
werden können.

Für Femern A/S sind Riffe im Trassenbereich lediglich ein Ärgernis, weil deren
Schädigungen oder Vernichtung aufwändig durch die Schaffung künstlicher Riffe auf
gleichwertigen Ausgleichsflächen – möglichst im Fehmarnbelt – kompensiert werden
müssten. Diesem zweifelhaften Vorgehen des dänischem Staatsunternehmens Femern A/S
mit dem Segen der Landesregierungen setzt die aktuelle Anordnung des
Bundesverwaltungsgerichts jetzt ein Ende. „Wir sind sehr gespannt, was als nächstes
kommt“, so RA Mecklenburg und Hendrick Kerlen.

Mit der jetzigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet sich die Möglichkeit,
die in seinem Urteil vom 3. November 2021 nicht gelöste Problematik der Zerstörung und
Beschädigung von Riffen in der Ostsee durch den Bau der Fehmarnbeltquerung nun doch
noch einer rechtskonformen Lösung zuzuführen. Die hierfür erforderliche Denkpause sollte
nach Auffassung des Aktionsbündnisses auch genutzt werden, um die Sinnhaftigkeit des
Projektes insgesamt noch einmal zu überdenken.

Hendrick Kerlen

Aktionsbündnis gegen eine
feste Fehmarnbeltquerung e.V.

Telf. 04372-1255

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